Nachruf für Hannes Kalisch.

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Am Sonntag, den 23. Juli traf uns die Nachricht vom Ableben eines guten Freundes, Hannes Kalisch. Er erlag einem Krebsleiden, wogegen er etwa sieben Monate tapfer ankämpfte, und viele hofften auf eine volle Genesung.

Obwohl er als Sohn von Oskar und Heide Kalisch in Deutschland zur Welt kam (20-05-1969), ist sein Leben aufs engste verknüpft mit dem Chaco. Im Februar 1973 kam die Familie nach Filadelfia, wo Oskar Kalisch als zweiter Entsandtlehrer seine Arbeit aufnahm. Die Familie blieb bis Ende 1978 in Fernheim, und ist vielen noch in guter Erinnerung. Hannes erlebte den Kindergarten, sowie die ersten Schuljahre also hier im Chaco.

Als die Familie zurück nach Deutschland zog, blieb ein Stück von seinem Herzen allem Anschein nach im Chaco, denn zehn Jahre später, als er seinen Wehrdienst leisten sollte, entschied er sich für einen Ersatzdienst, und wählte dazu Yalve Sanga. In der Baumschule, die von Cornelio Froese geleitet wurde, fand er 1988 seine Auf-gabe. Seine Sprachbegabung wurde sehr bald sichtbar, denn er bewegte sich tagsüber unter den Enlhet, stellte Fragen, merkte sich Wörter und Sätze und schrieb diese abends säuberlich ins Heft. Es dauerte nicht lange, und er begann die Sprache zu sprechen. Dass seine Geselligkeit fast ausschließlich den Enlhet galt, mit welchen er auch die Mahlzeiten zu sich nahm, verursachte gelegentlich etwas Stirnrunzeln bei anderen Mitarbeitern der ASCIM, aber das störte ihn nicht.

Als seine Dienstzeit Ende 1989 um war, sprach er die Enlhet-Sprache fließend. Zurück in Deutschland, ging es unmittelbar an die Universität Köln, um Sprachwissenschaften zu studieren. Dabei war sein Plan schon fest: So schnell wie möglich sollte es zurück in den Chaco gehen, zu den Enlhet. Die Zeit, einen Abschluss zu machen, gönnte er sich nicht. 1994 im Oktober war das Grundstudium beendet, und er buchte den nächsten Flug nach Paraguay. Ernesto Unruh (Yalve Sanga) hatte ihn praktisch als Adoptivsohn erklärt, und da fand er vorläufig Unterkunft. Eine sprachliche Arbeit, die von den ersten Lehrerseminarstudenten in Yalve Sanga begonnen wurde, nahm er auf und machte zügig weiter. Drei Jahre später war das große Enlhet Wörterbuch fertig.

Sein eigentliches Interesse galt jedoch neben der sprachlichen Arbeit auch der Begegnungsgeschichte, sowie der Existenzfrage der Indianer im Chaco.

Im Jahr 2000 trat er in die Ehe mit Erna Ramírez aus Campo Largo und verlegte seinen Wohnsitz dahin. Mit Unterstützung von Freunden in Europa, begann er mit systematischen Interviews von älteren Personen, quer durch die Enlhet-Siedlungen, wie auch bei den sprachlich verwandten Ethnien der Toba, Sanapaná und Guaná. Hierzu wurde 2001 das Institut „Nengvaanemkeeskama Nempayvam Enlhet“ (Unsere Sprache zum Wachstum verhelfen), gegründet. Diese Arbeit führte bald zu einem erheblichen Repertoire an audio-, audiovisuellem-, sowie gedrucktem Material. Besonders die Erlebnisberichte der alten Leute aus der Zeit des Chacokrieges, sind ergreifend. Auch die Erfahrungen mit den frisch eingewanderten Mennoniten, wirken oft ernüchternd. Man er-lebt unsere Geschichte hier im Chaco aus einer ganz anderen Perspektive – zum Teil eine etwas derbe Korrektur für die unter uns Mennoniten geläufige Erzählung von der Begegnung. Was zunächst eine Serie im Mennoblatt ausmachte, wurde mit der Zeit zu einem massiven Buch, „Wie schön ist deine Stimme“.

In den letzten zwei Jahrzehnten wurde Hannes im nationalen und auch internationalen Rahmen bekannt, schrieb für wissenschaftliche Zeitschriften, nahm an Kongressen teil, und wurde überall gerne gesehen.

Ende letzten Jahres befiel ihm eine Lähmung in einem Bein, er ging zur Behandlung und bald stellte man eine Krebsform bei ihm fest. Trotz Chirurgie und einer längeren Behandlung mit Chemotherapie, ließ sich der Tumor nicht eindämmen. Während den Monaten in der Behandlung, stellte er noch das Wörterbuch der Guaná-Sprache fertig, woran er mit Unterbrechungen seit Jahren arbeitete.

Auf Anraten nationaler Akademiker bewarb er sich 2019 für ein Doktoralprogramm an der Universität von Buenos Aires. Die Dissertation stellte er zwar fertig, zur Verleihung der Doktorwürde jedoch war die Zeit zu kurz.

Er hinterlässt seine Frau Erna Ramírez de Kalisch und zwei erwachsene Adoptivtöchter, Fanicia und Ulrica. Die Enlhetgemeinschaft im Chaco erklärte für alle Schulen ein paar Trauertage. Seine Mitarbeiter haben es schon geäußert, dass die Arbeit weitergehen muss, denn er hat viel dazu beigetragen die Sprache und Kultur der Chacovölker „zum Wachstum zu verhelfen“. Wir behalten ihn in dankbarer Erinnerung.

Gundolf Niebuhr